„Sterben die Ozeane, sterben wir alle”

Prof. Dr.-Ing. Marcel Oberweis

Zum ersten Mal in ihrer Geschichte luden die Vereinten Nationen zu einer Konferenz zum Schutz der Ozeane nach New York im Juni 2017 ein. Angesichts der sich aufdrängenden Problemen u.a. das Korallensterben, die Übersäuerung der Meere, der steigende Meeresspiegel, die Todeszonen ohne Sauerstoff und die Überfischung stand das Vermüllen der Ozeane durch die Kunststoffabfälle auf der Agenda.

Laut einem Bericht des Weltwirtschaftsforums 2016 werden im Jahr 2025 die Ozeane eine Tonne Plastikabfälle auf drei Tonnen Fisch beherbergen. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres eröffnete die Konferenz mit dem dramatischen Hinweis, dass die Menge Kunststoffabfälle in den Ozeanen bei anhaltendem Trend im Jahr 2050 grösser sein könnte als die Tonnage Fisch.

Anlässlich der Konferenz wurde mitgeteilt, dass dreiviertel des Mülls in den Ozeanen aus Kunststoffpartikel besteht, deren Abbau viele Jahrhunderte benötigt. Es sei vermerkt, dass bei der Zersetzung der Kunststoffe giftige und hormonell wirksame Zusatzstoffe wie Weichmacher, Flammschutzmittel und UV-Filter in die Meeresumwelt abgegeben werden. Diese Mikropartikel verbleiben jahrelang in den Ozeanen, sie vergrößern die Meereswirbel auf den Ozeanen und verschmutzen die Meeresböden sowie die Strände. Diese Partikel, kleiner als fünf Millimeter, gelangen problemlos in die Körper von Meerestieren.

Die Kunststoffabfälle auf den Ozeanen – Fakten

Plastik ist der umgangssprachliche Sammelbegriff für verschiedenste Kunststoffe, welche auf den fossilen Energieträgern Erdöl, Erdgas und Kohle beruhen. Diese synthetischen Polymere werden zu Kunststoffen verarbeitet und während des Herstellungsprozesses werden weitere Stoffe hinzugegeben. Der Plastikmüll wird hauptsächlich in den Industrieländern produziert. Das Müllaufkommen aus den weniger entwickelten Ländern ist weit weniger schädlich, weil es oft aus natürlichen Materialien besteht, die sich schnell zersetzen und dem Meeresökosystem keinen Schaden zufügen. Die Produktion von Plastikmüll wird sich jedoch in diesen Ländern zukünftig erhöhen und zwar  je mehr sich der Lebensstil der Bevölkerung demjenigen der Industrieländer angleicht.

Es wurde den Teilnehmern der Konferenz mitgeteilt, dass derzeit in jeder Minute ein Kipplaster mit Kunststoffabfällen in die Ozeane eingebracht. Die Abfälle stammen zu 80 % aus Quellen an Land  und 20 Prozent von Aktivitäten auf dem Meer.

Wieviel Müll, von den Menschen verursacht, auf den Ozeanen schwimmt,  lässt sich schwer erahnen, weil sich der größte Anteil der Abfälle metertief unter der Meeresoberfläche befindet und so für die Erkennung per Satelliten verborgen bleibt. Der auf der Meeresoberfläche driftende Müll stellt jedoch nur 30 Prozent der Müllmenge, die restlichen 70 Prozent sinken auf den Meeresgrund. Die Meereshabitate werden in steigendem Maß mit Müll verunreinigt, was zunehmend ökologische, wirtschaftliche, gesundheitliche und ästhetische Probleme verursacht.

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) schätzt das Müllaufkommen der Ozeane auf etwa 5,2 Milliarden Teile Plastikabfälle – etwa 270.000 Tonnen. Auf jedem km2 Weltmeer schwimmen etwa 50.000 Teile Plastikmüll. Besonders belastete Regionen vor der europäischen und der nordamerikanischen Küste weisen mittlerweile zwischen 75.000 und 100.000 Plastikteile pro km2 auf dem Meeresgrund auf.

Aufgrund der Meeresströmungen sowie der Corioliskraft haben sich fünf riesige Müllteppiche auf den Ozeanen gebildet – zwei im Pazifik, zwei im Atlantik und einer im Südindischen Ozean. Im Müllwirbel des Nordpazifiks befinden sich 1.990 Milliarden Plastikteile und dieser Müllteppich weist die Dimensionen Europas auf.

Durch die Wellen, das Salzwasser und die Sonneneinstrahlung zersetzten sich die Kunststoffabfälle langsam in winzige Plastikteilchen – das sogenannte Mikroplastik. Der Zerbröselungsprozess kann bis zu 500 Jahren dauern. Bei einem hohen Feinheitsgrad werden diese winzigen Teilchen von den Meeresbewohnern mit der Nahrung aufgenommen.

Die Tiere ersticken und erleiden tödliche Verstopfungen. Bei einer Untersuchung fanden die Wissenschaftler bei 93 Prozent der Eissturmvögel Plastikteile im Magen – im Durchschnitt etwa 27 Partikel pro Vogel. In den Körpern der Meeresfische sammeln sich die Toxine im Organismus und sie gelangen durch den Genuss der Menschen in deren Organismen. Auch Wale, Delphine, Schildkröten, Seekühe und Seevögel sterben durch die unzähligen Mikroplastikteile.

Den Kunststoffberg beseitigen

Der weltweite wirtschaftliche Schaden, der durch die ausufernden Plastikmüllberge auf den Ozeanen entsteht, wird jährlich auf etwa 13 Milliarden Euro geschätzt. Bedingt durch den Biodiversitätsverlust und  die schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Millionen Menschen ist dringender Handlungsbedarf gefragt. Die Menschheit muss   erkennen, dass die Produktion von Kunststoffen auf ein striktes Minimum reduziert werden muss.

Durch ein intelligentes und vernetztes Müllmanagement inklusive einer nachhaltig geprägten Kreislaufwirtschaft wird dieses Ziel erreicht. Es werden zurzeit Einsammeltechnologien erforscht und erprobt – aber es fehlt der Wille diese gigantische Aufgabe anzugehen.

Wäre es deshalb nicht angebracht, dass Luxemburg sich dieser hehren Aufgabe mit viel Mut zuwenden würde, anstatt Hunderte Millionen Euro in das fragwürdige Abenteuer „Space Mining“ investiert und die Umwelt schwer belastet? Mit dieser Aktion könnte Luxemburg, welches über eine größere Flotte auf dem Meer verfügt, ein grenzüberschreitendes Zeichen setzen. Welcher Sinn ergibt sich denn aus diesem Fehlverhalten, angesichts der politischen Aussagen anlässlich der rezenten Konferenz über die Kreislaufwirtschaft?

Schlussgedanken

Leider fühlt sich keine Regierung für die Beseitigung der Milliarden Teile Kunststoffabfälle in den Ozeanen verantwortlich, da diese sich in den internationalen Gewässern befinden. Wohl wurde in den 1980er Jahren das MARPOL-Abkommen für die Entsorgung von Kunststoffabfällen in den Ozeanen reglementiert, aber von einer Reduktion des Plastikmülls kann noch keine Rede sein.

Da sich 60 % der Weltmeere außerhalb nationaler Hoheitsbereiche befinden, ist eine internationale Zusammenarbeit von entscheidender Bedeutung. Die erste UN-Konferenz zum Schutz der Ozeane hatte sich deshalb zum Ziel gesetzt, die Meere sicherer und sauberer zu machen, denn sie erfüllen eine lebenswichtige Funktion im Kampf gegen den Klimawandel, absorbieren sie doch 25 % des erzeugten Treibhausgases CO2.

Wenn sich die Menschheit bezüglich der Vermüllung der Ozeane ihrer Verantwortung bewusst wäre und die 17 Millennium-Entwicklungsziele ernst nehmen würde, dann müsste sie die eingebrachten Müllmengen wieder „aus der Biosphäre herausfischen“ und der Meeresfauna und -flora eine Chance einräumen.

 

Literaturhinweise:

1°            http://www.wwf.de/themen-projekte/meere-kuesten/unsere-ozeane-versinken-im-plastikmuell/

2°            https://www.umweltbundesamt.de/themen/wasser/gewaesser/meere/nutzung-belastungen/muell-im-meer

3°            http://www.3sat.de/page/?source=/nano/umwelt/156409/index.html