Claude Wiseler nimmt den Etatentwurf unter die Lupe

Claude Wiseler kennt das Metier des Budget-Berichterstatters: 2001 nahm er den Etatentwurf unter die Lupe. Eine „interessante und lehrreiche Erfahrung“ stellte der CSV-Politiker vor 13 Jahren im Interview mit dem „Luxemburger Wort“ fest. Auch wenn sich der wirtschaftliche Kontext heute grundlegend unterscheidet – für 2002 ging die Regierung von rund fünf Prozent Wachstum aus –, würde Claude Wiseler die gleiche Akzentsetzung wählen: die Bedeutung der Investitionspolitik und der -fonds thematisieren.

Die Gutachten sind durchwachsen. Kann man von einem Übergangsbudget nicht mehr erwarten?

Niemand verlangt von einer neuen Regierung, innerhalb von drei, vier Monaten alle Hausaufgaben zu erledigen. Nun hat diese Regierung aber gebetsmühlenartig angekündigt, große politische Akzente setzen zu wollen und sie hat vorgegeben, mit weniger Geld eine bessere Politik zu praktizieren. Wenn ich mir den Etatentwurf anschaue, vermisse ich aber die politischen Akzente, sei es nur ansatzweise. Wenn ich dann noch die vorgeschlagenen Einsparungen betrachte, ist das nicht ganz ernst gemeint. Da kann ich dem Rechnungshof nur beipflichten, der im Etatentwurf keine Sparmaßnahmen ausmacht. Und doch verleiht sich der Finanzminister bei der Budgetpräsentation einen Oscar.

Bei dieser Budgetpräsentation kritisierte Pierre Gramegna die Vorgängerregierung, keinen Staatsfonds aufgelegt zu haben, um die Mindereinnahmen aus dem e-Commerce aufzufangen.

Unser Staats-Fonds sind die Investitions-Fonds und erfüllen einen ähnlichen Zweck: In wirtschaftlich mageren Zeit als Finanzpuffer eingesetzt zu werden, um die Konjunktur zu beleben. Dafür müssen die Fonds in konjunkturell starken Jahren wie eine Spardose gespeist werden. Diese Rolle der Investitions-Fonds habe ich im Übrigen vor 13 Jahren als Berichterstatter eingehend thematisiert. Und die Regierung hat dieses Prinzip auch angewandt. Allein in den Jahren 2006, 2007 und 2008 flossen 240, 450 und 380 Millionen Euro in die Investitions-Fonds. Das hat uns geholfen, die Konjunkturprogramme, die auf dem Höhepunkt der Krise notwendig waren, zu finanzieren.

Für 2014 setzt Finanzminister Gramegna auch bei den Investitionen den Rotstift an: Diese stellen den Löwenanteil der Einsparungen.

60 Prozent der Einsparungen allein auf Investitionen empfinde ich als höchst bedenklich, weil es weder wirtschaftlich verträglich noch vorausschauend ist. Investitionen bereiten immerhin die Zukunft des Landes vor. Meiner Meinung nach sollten Investitionseinsparungen nicht mehr als ein Drittel eines Sparpaketes ausmachen. Man sollte jedoch nicht außer acht lassen, dass es sich nur um die zeitliche Streckung von Investitionen handelt, was nichts anderes als eine zeitlich versetzte Ausgabe ist. Wir haben es keineswegs mit strukturellen Sparmaßnahmen zu tun, da kein Bauvorhaben gekippt wurde.

Wie bewerten Sie den zweiten großen Sparposten, die staatlichen Betriebskosten?

Erst einmal muss festgestellt werden, dass vornehmlich para-staatliche Einrichtungen, beispielsweise die établissements publics, betroffen sind mit rund 44 Prozent der Einsparungen. Vor allem aber mutet die Art und Weise doch recht befremdlich an. Ohne Vorwarnung werden Gelder im Laufe eines Haushaltsjahres gestrichen. Das ist als Prozedur nicht annehmbar. Das ist Budgetpolitik mit der Brechstange. Dialog und Transparenz funktionieren nach meinem Verständnis anders. Ob die Universität, ob die Privatschulen, bei denen die Beteiligung an den Unterhaltskosten entgegen den bis dato gültigen gesetzlichen Bestimmungen von zwei auf ein Prozent reduziert werden, ob die kulturellen Vereinigungen: Sie alle wurden vor vollendete Tatsachen gestellt. Eine Folge dieses einseitigen Vorgehens ist, dass man Unruhe stiftet und die betroffenen Akteure gegen sich aufbringt. Die Regierung scheint sich auch keine weiteren Gedanken zu machen, was die Folgen dieser Politik der vollendeten Tatsachen sein könnten. Wenn man von heute auf morgen bestimmte Zuwendungen streicht, ohne im Vorfeld mit den Leuten gesprochen zu haben, heißt das konkret, dass bestimmte Projekte, die schon in Auftrag waren, nicht mehr finanziert werden. Es wäre im Interesse aller gewesen, dieses Vorgehen zuerst im Dialog mit den betroffenen Einrichtungen zu klären.

Nach dem Etat de la nation sorgten zwei andere Vorhaben für Unmut: die TVA-Erhöhung bei Zweitwohnungen und die Ko-Finanzierung der Tramerweiterung durch die Randgemeinden der Hauptstadt …

… weil auch da weder das eine noch das andere im Vorfeld erörtert wurde. Im Fall der Mehrwertsteuer hätte man zumindest ein Gutachten erstellen müssen, um die Tragweite realitätsnah einzuschätzen. Bei der Tram sei daran erinnert, dass für die Trasse durch die Hauptstadt ein partnerschaftliches Vorgehen Staat/Stadt gewählt wurde, inklusive Finanzierung. Diese Regierung setzt die Randgemeinden vor vollendete Tatsachen. Das tut diesem wichtigen Mobilitätsprojekt nicht gut.

Die Reduzierung der Einstellungen beim Staat …

… sind keine klassische Sparmaßnahme. Bis dato haben wir keine Antwort darauf erhalten, wo die verbleibenden 150 Einstellungen für 2014 vorgesehen sind. Bei der Polizei? In der Schule? Apropos Schule: Wir verschließen uns als CSV gewiss nicht einer Diskussion über das Arbeitspensum der Lehrer. Für eine solche Diskussion sind die Bildungsreformen jedoch der angemessene Rahmen. Indem die Regierung sich auf einen Kuhhandel zwischen Arbeitspensum und Bewertungsmodellen einlässt, spielt sie eindeutig die Qualität gegen die Quantität aus. Für eine Koalition, die die Bildung als eine ihrer Topprioritäten definiert hat, spricht dies Bände.

Kann die CSV im Hochschulwesen mit der vorliegenden Anpassung der Studienbeihilfen leben?

Es ist die einzige strukturelle Sparmaßnahme im diesjährigen Etatentwurf. Wir können das aktuelle System nicht so weiterfinanzieren, das ist klar. Wir haben als CSV mit dem Prinzip, dass die Studienbeihilfen in einzelne Teile auf gegliedert sind, kein Problem. Es kommt auf die Gewichtung an und so wie die Gewichtung angedacht ist, höhlt sie das Autonomieprinzip des Studenten, das für uns weiter wichtig ist, aus. Die vorliegende Reform bzw. die Sozialklausel gibt auch keine adäquate Antwort, inwiefern Geschwister, die ebenfalls studieren, eine Rolle bei der Vergabe der Beihilfen spielen. Wir haben zudem keine Details zu den Anti-Kumulbestimmungen. Die Neuregelung der Studentenbeihilfen wirft viele Fragen auf, die vorerst noch zu beantworten sind.

Inwieweit sind Sie erstaunt über das Entgegenkommen der Regierung bei der Beamtenrechtsreform?

Ich stelle fest, dass die Vereinbarung von Ressortminister Dan Kersch in eine andere Richtung geht, als die Aussagen der DP im Vorfeld der Landeswahlen. Das ist schon erstaunlich. Die Staatsbeamtengewerkschaft macht als Interessenvertreterin jedoch nur ihren Job und hat nun selbst in Punkten Zugeständnisse bekommen, die sie nicht eingefordert hatte. Das hat zu einem nicht ausgewogenen Reformpaket geführt.

Auch wenn die Sparmaßnahmen 2014 überschaubar sind, könnte die wirtschaftliche Erholung der Regierung in die Karten spielen …

… wobei diese wirtschaftliche Erholung gut für das Land ist. An der Regierung liegt es dann, diese Chance zu nutzen. Es ändert sich aber nichts an der großen Herausforderung: die Konsolidierung beim Zentralstaat. 2014 macht das Defizit 500 Millionen Euro aus, für 2015 muss ein Defizit von 1,5 Milliarden Euro einkalkuliert werden. Um den daraus resultierenden Konsolidierungsbedarf zu decken, sind jährlich strukturelle Sparmaßnahmen von 250 bis 300 Millionen Euro nötig. Andernfalls rückt das Ziel, bei den öffentlichen Finanzen bis 2018 ein Saldo von 0,5 Prozent gemessen am BIP zu erreichen, in weite Ferne. Nur um sich der Größenordnung bewusst zu sein: Das Sparvolumen 2014 macht 231 Millionen Euro aus, wobei einzig die Studienbeihilfen mit 35 Millionen Euro sowie ein Teil der staatlichen Einsparungen struktureller Natur sind.

Mit gewisser Spannung wird die neue Budgetmethode erwartet.

Auch davon ist für 2014 noch nichts zu sehen. Als demokratisch äußerst bedenklich erachte ich, dass die in Aussicht gestellte budgetäre Neuordnung an der Abgeordnetenkammer und am Rechnungshof vorbei verwirklicht werden soll. Dabei zeigt das Beispiel Frankreich, dass die neue loi organique dazu dient, das Parlament stärker in den Haushaltsprozess einzubinden und seine budgetären Kompetenzen zu stärken. Frankreich belegt außerdem, dass man den Faktor Zeit nicht unterschätzen darf. Unsere Nachbarn gaben sich fünf Jahre, um die neue Haushaltsordnung anzuwenden. Luxemburg und seine neue Regierung wollen dies nun in fünf Monaten schaffen, unter Mithilfe von McKinsey. Da bin ich doch sehr gespannt. Ich wünsche mir jedenfalls, dass es nicht in einem Monsterchaos mündet. Schließlich sollten wir uns nicht täuschen lassen: Eine neue Haushaltsmethode ist noch keine Sparmaßnahme.