Warum ich „Nein“ sage zu diesem Vorschlag

Eine ambitionierte Europäische Union braucht einen ambitionierten Haushalt. Klarer als der Präsident des Europaparlamentes Martin Schulz kann es keiner formulieren. Leider entspricht der Vorschlag des Rates welcher am 8. Februar nach stundenlangen Verhandlungen zustande gekommen ist nicht diesen Erwartungen. Mehr als deutlich spiegelt er die aktuelle Haltung der Regierungschefs wieder. Keine Zukunftsorientierung, nicht mal die Einhaltung eingegangener Versprechen sondern lediglich Austerität und Besitzstandswahrung.

Welches Signal senden die Regierungschefs aus wenn sie einen Haushalt stimmen der ein strukturelles Defizit aufweist? Wie ernst soll man ein Gremium nehmen welches eine Lücke zwischen Verpflichtungen und Zahlungen absegnet? Dies soll also die Marschroute der EU der nächsten Jahre sein. Wieso eigentlich keine Mehrheitsabstimmung sondern lediglich eine Einigung auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner?

Viele Fragen

Dabei wäre der Zeitpunkt günstig gewesen, Diskussionen über eine zukünftige europäische Haushaltspolitik zu führen. Z.B die Frage: Brauchen wir ein Haushalt oder zwei, einen gesonderten für die Euro-Mitgliedstaaten? Wenn ja, wie sollte dieser gespeist werden, mit welchen Mitteln? Von welchem Parlament sollte dieser kontrolliert werden? Die Frage der Rabatte, die Zukunft der Agrarpolitik? Die Frage der Strukturfonds bezüglich der Investitionen in europäische Infrastrukturen? Die Liste ließe sich beliebig erweitern. Doch viele im Rat hatten ausschließlich nationale Interessen im Auge und setzten zusätzlich den Rotstift an. Der Vorschlag der EU-Kommission, an sich schon ein Mindestmass hinsichtlich der kommenden Herausforderungen, wurde nochmals gekürzt und herausgekommen ist der am wenigsten zukunftsorientierte Finanzrahmen den die EU je hatte.

Wie soll die „Strategie 2020“, die auf intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum ausgerichtet ist und Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze verspricht, umgesetzt werden? Ergeht es ihr wie der Lissabon-Strategie des Jahres 2000? Angesichts der prekären sozialen Lage in Europa (26 Mio. Arbeitslose, in mehreren Ländern über 50% Jugendliche ohne Job) hätte ich mir ein klares Signal erwartet durch eine substantielle Aufstockung der Mittel für Beschäftigung und Soziales in welchem der Europäischen Sozialfonds sowie der Fonds für die Anpassung an die Globalisierung wichtige Posten darstellen. Immerhin wurden zusätzliche 6 Mia. vorgesehen für den Vorschlag einer europäischen Jugendgarantie.

Wie sollen wir „Connecting Europe“, Investitionen wie Verkehrsinfrastrukturen, Energie- und digitale Netze finanzieren? Minus 29% ist der Vorschlag für diesen, für unsere Wirtschaft lebenswichtigen Bereich.

Wie sollen wir es fertig bringen, die Forschungs- und Innovationsprogramme, die einen echten europäischen Mehrwert bedeuten, auf den Weg zu bringen resp. am Laufenden zu halten, ohne das notwendige Geld bereit zu stellen? Weniger Geld ebenfalls für die Nachbarschaftshilfe, im Klartext weniger Geld um den Ärmsten in der Welt zu helfen.

Lediglich bezüglich der Flexibilität und der Revisionsklausel hat der Rat den Vorschlägen des Europaparlament Folge geleistet. In Zukunft soll es möglich sein zwischen Etatposten die Geldmittel nach Bedarf zu verschieben. Außerdem soll der Haushalt nach zwei Jahren einer Revision unterzogen werden.

Kein gutes Signal

Trotz diesen Einwilligungen sehe ich zum aktuellen Vorschlag nicht die Möglichkeit einer Zustimmung des Europaparlamentes. Wir fordern mutige, zukunftsorientierte Schritte um Europas Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, ein Anspruch dem der aktuelle Kompromiss des Rates nicht nachkommt.

Wie sagte Frankreichs Staatspräsident in seiner Rede vor dem Europaparlament: „ C’est notre crédibilité qui se joue, crédibilité non plus financière mais politique. Au-delà des choix budgétaires, c’est une conception de l’Europe qui est au débat“.

Glaubwürdigkeit auf dem kleinsten Nenner, kein gutes Signal für die kommenden Herausforderungen Europas.

 

Georges Bach, 19.02.2013