Nicht den Ast absägen auf dem wir sitzen !

Der CSV-Abgeordnete Marcel Oberweis über das Washingtoner Welt-Artenschutzabkommen, dessen Weiterentwicklung kürzlich Thema einer Folgekonferenz war

Angesichts des dramatischen Rückgangs der Artenvielfalt durch Wilderei und Handel wurde im Jahr 1973 das Übereinkommen über den internationalen Handel mit frei lebenden Tier- und Pflanzenarten beschlossen. Mittlerweile haben sich 171 Länder dem Washingtoner Welt-Artenschutzabkommen für die bedrohte Mitwelt angeschlossen. Das Übereinkommen über den internationalen Handel mit frei lebenden Tier- und Pflanzenarten sieht den Schutz sowie die Ein- und Ausfuhr von etwa 8000 Tier- und 40.000 Pflanzenarten vor. Die Washingtoner Welt-Artenschutzkonferenz stellt kein Wirtschaftsabkommen darstellt, vielmehr bemüht man sich den Tieren und den Pflanzen die Bedingungen zu schaffen, damit sie sich in der mit Umweltschmutz beladenen Welt zurechtfinden.

Die 14. Vertragsstaatenkonferenz in Den Haag, zu welcher sich 2500 Delegierte vom 3. bis 15 Juni eingefunden hatten, sollte diejenigen Arten ausweisen, denen man eine höhere Beachtung schenken muss, da sie vom Aussterben bedroht sind. Viele Fachleute halten mittlerweile den Schutz der Arten und deren Lebensräume für genauso wichtig wie den Klimaschutz, hat sich doch seit 1970 die Anzahl der Arten bis heute um etwa 40 Prozent weltweit verringert. Wenn der Klimawandel in dem Maß weiter schreitet wie bisher, dann werden Schätzungen zufolge bis zu 30 Prozent aller weltweiten Arten bis zur Mitte dieses Jahrhunderts ausgestorben sein.

Es erstaunt dennoch, dass sich die Vertreter der anwesenden 169 Staaten nicht zu gemeinsamen Aktionen aufraffen können, auch nicht, wenn ihnen vor Augen steht, dass mehr als 15.000 Arten derzeit vom Aussterben bedroht sind. Der Schutz bedrohter Meeresarten, insbesondere der Wale, die Zukunft des Handelsverbotes mit Elfenbein sowie die Maßnahmen zur Bekämpfung des illegalen Handels mit Tropenholz standen im Mittelpunkt der zähen Verhandlungen.

Wenn wir den kommenden Generationen auch eine “intakte” Biodiversität weiterreichen möchten, dann müssen wir heute die beherzten und mutigen Schritte definieren und uns für deren Umsetzung einsetzen. Außerdem schützen wir mit der biologischen Vielfalt auch unsere Lebensbedingungen und festigen die Basis für eine nachhaltige Wirtschaft. Wer gibt eigentlich den Menschen der Jetztzeit das Recht, den Ast abzusägen auf dem die kommenden Generationen gerne sitzen möchten?

Hinsichtlich des Schutzes der Nashörner hat man sich geeinigt, dass Südafrika, Simbabwe, Namibia und Botswana etwa 200 t aus ihren noch vorhandenen Elfenbeinvorräten verkaufen dürfen, anschließend wird eine neunjährige weltweite Ruhepause eintreten. Hat die Welt denn vernommen, dass sich der Bestand der Nashörner in Simbabwe und der Demokratischen Republik Kongo um 60 Prozent zwischen 2003 und 2005 verringert hat?

Bezüglich der Waljagd werden gewisse Kreise nicht müde, gebetsmühlenartig dieselbe Forderung zu stellen, alle Walarten einer wissenschaftlichen Überprüfung zu unterziehen und zu prüfen, ob denn der Schutz für die Wale noch gerechtfertigt ist. Die Europäische Union hat jedoch den Mut aufgebracht und darauf hingewiesen, dass es keinen Handel mit Walprodukten geben darf, solange die Walfangkommission das Walfangmoratorium aufrecht hält.

Leider dominieren zurzeit die wirtschaftlichen Interessen gegenüber dem Schutz der bedrohten Tiere und Pflanzen. Immer stärker erschallt der Ruf, dass man die Tiere und die Pflanzen als Nahrungsmittel im Kampf gegen die Armut benötigt. Eine Aussage, die an Arroganz gegenüber der wehrlosen Fauna und Flora nicht mehr zu überbieten ist.

Ohne mit der Wimper zu zucken, lassen wir zu, dass die Menschheit in eine wirtschaftliche, kulturelle und ökologische Mauer rennt. Eine nachhaltige Entwicklung und ein Leben mit der Natur können nur gelingen, wenn wir alle unsere Verantwortung für die Erhaltung der biologischen Vielfalt übernehmen und uns für eine zukunftsfähige Welt bekennen.

Dr.-Ing. Marcel Oberweis, CSV-Abgeordneter

Quelle: Wort, 20. Juni 2007