Vor 25 Jahren begann die Ära des „Train à Grande Vitesse“ in Frankreich

22. September 1981: Vor 25 Jahren begann die Ära des “Train à Grande Vitesse” in Frankreich. Marcel Oberweis, CSV Abgeordneter

Das erste elektrisch angetriebene Schienenfahrzeug wurde vom amerikanischen Eisenbahnpionier Thomas Davensport bereits im Jahr 1835 gebaut, die Entwicklung konnte aus materialtechnischen Gründen nicht weitergeführt werden Aufbauend auf dem elektrodynamischen Prinzip von Werner Siemens, wurde die erste wirklich funktionstüchtige elektrische Lokomotive im Jahr 1879 vorgeführt, sie konnte 18 Personen transportieren und verfügte über eine Leistung 2,2 kW.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann der Drang nach immer höheren Geschwindigkeiten im Eisenbahnverkehr. Nachdem die Dampfmaschinen zur Höchstleistung aufgelaufen waren, versuchte man neu Varianten u.a. den von Franz Kruckenberg entwickelten “Schienenzepp” mit einem 12 Zylinder-Flugmotor mir 600 PS Leistung. Mit der Geschwindigkeit von 230 km/h begann im Jahr 1931 die Jagd auf das “blaue Band der Hochgeschwindigkeit” der Eisenbahn. Einen weiteren Meilenstein setzt die SNCF bei Versuchsfahrten zwischen Paris und Lyon im Jahr 1955 mit 331 km/h.
Der Schienenverkehr mit Hochgeschwindigkeiten begann im Jahr 1962 durch die Einführung der Shinkansen in Japan, in weniger als drei Stunden wurde die Strecke von 700 km zwischen Tokyo und Osaka zurückgelegt. Nach diesem durchschlagenden Erfolg der japanischen Hochgeschwindigkeitszüge gewann das Thema in Frankreich wieder an Bedeutung. Man war jedoch zu jener Zeit der Meinung, die normalen Stromabnehmer könnten diesen Geschwindigkeiten nicht standhalten und setzte auf den Gasturbinenzug.

Am 25. Oktober 1971 sollte der Siegeslauf mit der Turbozug TGV 001 beginnen. Doch es kam anders, wie sich der eingeweihte Leser sicher erinnert, die Erdölpreiskrise 1973 brach an und in ihrem Gefolge war nicht mehr an den mit Erdgas getriebenen Hochgeschwindigkeitszug zu denken. Man wandte sich vom thermischen Antrieb ab und dem elektrischen Antrieb zu, welcher nun mit massiven finanziellen Mitteln unterstützt wurde. TGV.jpg

Um dem wachsenden Tourismus vom Norden in den Süden Frankreichs zu verbessern, bedurfte es nicht nur neuer Autobahnen, sondern auch neuer Eisenbahnstrecken. Insbesondere von Paris über Lyon in die Provence musste dringend neuer Verkehrsraum geschaffen werden, wohnten doch entlang dieser Strecke etwa 40 % der Bevölkerung Frankreichs. Bereits im Jahr 1969 wurde eine detaillierte Studie für die zweigleisige Strecke von Paris nach Lyon mit Einsatz des Hochgeschwindigkeitszuges vom Verkehrsministerium erarbeitet, sodass ab 1970 der Gedanke des “Train à Grande Vitesse” TGV reifen konnte. Bis zur Erstfahrt sollte es jedoch noch bis 1981 dauern. Die angepeilte Zeitdauer für die Strecke Paris-Lyon wurde auf weniger als drei Stunden fixiert, und demzufolge mussten die Fahrzeugparameter ausgelegt werden. Die Achslast des TGV sollte die 18 t-Marke nicht überschreiten und die zu entwickelnde Zuggarnitur sollte hervorragende technische Werte in Bezug auf Gewicht und Beschleunigung aufweisen.

Dass die Wirtschaft an dieses Vorhaben glaubte, zeigte sich durch die Bestellung von Vorserienzügen seitens der SNCF bei GEC Alsthom und Francoreil im Jahr 1976. Insgesamt belief sich die Bestellung auf 85 TGV-Züge mit der bekannten orangen Farbe. Mittlerweile hatten die Bauarbeiten für die Hochgeschwindigkeitsbahn TGV begonnen, der erste Spatenstich wurde im Dezember 1976 durchgeführt. Der TGV sollte auf einer neuen, nur für Hochgeschwindigkeitszüge ausgelegten Trasse fahren, und zwar von Paris aus in Richtung Süd-Ost-Frankreich bis nach Lyon.
Im Gegensatz zum bestehenden Streckennetz musste man die Speisespannung der Oberleitungen von 1,5 kV auf 25.000 V mit 50 Hz auslegen, um die benötige Leistung für 260 km/h bereit zu stellen. Die TGV-Züge mussten demzufolge für mindestens zwei Stromsysteme ausgelegt sein, bei der Fahrt in die Schweiz mussten sie über ein weiteres Stromsystem von 15.000 V und 16 2/3 Hz verfügen.

Der erste TGV-Protop wurde am 11. Juli 1978 ausgeliefert und bereits am 26. Februar 1981 wurde die Marke von 380,4 km/h bei Tonnerre überschritten, das “Blaue Band der Schiene” hatten die Japaner verloren. Zwei Triebköpfe mit einer Nennleistung von zusammen 6450 kW rasten mit acht Mittelwagen aus Stahl auf der Strecke Paris-Lyon. Zwar ist auf jedem Triebkopf ein Wechselstrom-Stromabnehmer installiert, doch liegt pro Zug immer nur einer am Fahrdraht an. Neben den elektrischen Widerstandsbremsen sind noch vier Scheibenbremsen pro antriebsloser Achse im Einsatz. Mit den Klotzbremsen, die auf die Laufflächen der Räder einwirken, verfügte der TGV drei verschiedene Bremssysteme. Das Industrieunternehmen Alsthom hatte die TGV-Züge zuerst mit Stahlfederung ausgestattet, jedoch aus Gründen der Unzufriedenheit gegen eine Luftfederung im Jahr 1986 ausgetauscht. 1)

Denkwürdiger Tag der Eisenbahn: 22. September 1981

An diesem merkwürdigen Tag wurde mit dem Fahrplanwechsel vor nunmehr 25 Jahren das erste Teilstück der neuen Linie durch den Staatspräsidenten François Mitterand feierlich eingeweiht. Bereits nach fünf Tagen war der TGV im kommerziellen Einsatz auf der Neubaustrecke. Es wurden 13 Verbindungen im Stundentakt an den Werktagen angeboten. Nach der vollständigen Eröffnung der Strecke reduzierte sich die Fahrzeit zwischen Paris und Lyon auf zwei Stunden. Der TGV war somit weit schneller als der bisher verkehrende Zug, der “Mistral”, welcher nahezu 4 Stunden brauchte, die Bahnstrecke war auch von 512 km auf 427 km verkürzt worden.

Auf der Gesamtstrecke, welche das Massiv des Morvan durchschneidet, wurden neun Viadukte, 153 Brücken und zwei neue Bahnhöfe Creusot und Mâcon gebaut. Die Strecke führte durch eine bis dato nahezu unberührte Landschaft. Hinter dem Ort Combs-la-Ville fährt man an Melun vorbei, für wenige Augenblicke zeigen sich die Türme des Schlosses Blandy, ebenfalls mag der Reisende den Turm der Kathedrale von Sens ausmachen. Man durchquert die Departemente Côte-d’Or und Saône-et-Loire, wobei der Reisende sich an den Anblick vorbeihuschender Landschaften gewöhnen muss. Die Eisen- und Stahlschmiede Creusot verlassend, wendet sich der TGV nun nach Südosten, an der geistigen Stätte Cluny vorbei, wo Papst Urban II. das Licht der Welt im Jahr 1098 erblickte.

Im weiteren Verlauf der Bahnstrecke erscheint Solutré, Ort mit prähistorischem Charakter, wie der Reiseführer vermeldet, hier sollen vor 15.000 Jahren erste Behausungen gestanden haben. Die Weinberge von Pouilly und Fuissé lassen jedoch die Gedanken an diese Zeit schnell verfliegen, man gelangt in den beschaulichen Maconnais. Nach weiteren km durch das rebenverzierte Saône-Tal erreicht man das vorläufige Endziel, den Bahnhof St.Exupéry in Lyon. Bemerkenswert am TGV-Konzept ist die Tatsache, dass die TGV-Züge auf separaten Strecken fahren, die von den Güterzügen nicht benutzt werden, die Strecken sind zum Schutz vor Unfällen vollständig eingezäunt.
Nach einem Jahr Betriebseinsatz waren die TGV zu 61 % ausgelastet. Eine Nachbestellung von sechs Zweisystemzügen erfolgte bereits 1982, die über zwei Komfortklassen verfügten. Ab September 1982 erhöhte die SNCF die Höchstgeschwindigkeit von 260 km/h auf 270 km/h. Mitte der 80er Jahre lag die Auslastung des TGV bei 73 %. 47.000 Reisende wurden täglich im Jahr 1986 gezählt, sodass die Fluglinie Paris nach Lyon nicht mehr mithalten konnte und ihren Dienst einstellte. Die SNCF spricht heute von einer Auslastung von nahezu 92 %, Beweis, dass die Eisenbahnen in Europa, wenn tatkräftig unterstützt, ihren wichtigen Beitrag im Dienst der Personenmassenbeförderung erfüllen können.

Diese Tendenz hat sich bis heute fortgesetzt und die Reisezeiten wurden reduziert. So benötigt der TGV beispielsweise für die 750 km von Paris nach Marseille heute nur noch drei Stunden. Der Tag ist indes nicht mehr fern, ab dem man von Luxemburg über Nancy, Dijon, Macon, Lyon nach Madrid, Toledo und nach Sevilla in das sonnige Andalusien per TGV reisen kann. Am dem 10. Juni 2007 soll Luxemburg in das TGV-Zeitalter gebracht werden, die europäische Hauptstadt wird per TGV mit Paris verbunden.

Ausblick

Dass der Hochgeschwindigkeit noch keine Grenzen gesetzt sind, zeigen die verschieden bisher unternommenen Rekordfahrten. So schaffte der ICE auf der Neubaustrecke Würzburg-Fulda die Spitzengeschwindigkeit von 406,9 km/h im Jahr 1988. Am vergangenen 3. September 2006 vollführten die Ingenieure von Siemens eine Glanztat als sie ihre 8400 PS starke Elektrolokomotive “Taurus” auf der Strecke Ingolstadt nach München auf die Geschwindigkeit von 357 km/h zu steigern wussten. Die sowohl für Schnell- als auch für Güterzüge konstruierte Maschine übertraf damit die seit 1955 für einzelne Elektrolokomotiven gültige Bestmarke von 331 km/h der französischen Lok BB-9004.

Der absolute Rekord für Schienenfahrzeuge wird allerdings nach wie vor vom französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV gehalten, der Triebwagenzug erreichte am 18. Mai 1990 zwischen Paris und Lyon ein Tempo von 515,3 Stundenkilometer.

Beim Blick zurück auf die vergangenen 25 Jahre TGV in Frankreich, lässt sich ohne Umschweife sagen, dass diese faszinierende Idee hervorragend gelungen ist. Mittlerweile durchziehen unzählige Eisenbahnkorridore mit Höchstgeschwindigkeitszügen das europäische Festland und haben bereits auf die britische Insel übergegriffen. 20 verschiedene Triebwagentypen und Baureihen mit Geschwindigkeiten über 200 km/h und mehr verkehren auf den Eisenbahnstrecken im westlichen Teil der Europäischen Union. Die Namen u.a. Thalys – Paris, Brüssel, Köln und Amsterdam verbindend sowie Eurostar – Verbindung von Paris nach London stehen für diesen Erfolg.

Die Zukunft wird uns sicherlich noch weitere interessante Entwicklungen im Bereich der Höchstgeschwindigkeitszüge bringen, die Europäische Union muss diese Herausforderung tatkräftig und finanziell unterstützen, dies gehört in den Bereich des vorsorgenden Umweltschutzes und der Reduzierung der klimaschädigenden Treibhausgase.

Quellennachweis

1) http://www.hochgeschwindigkeitszuege.com/france/index_tgv_pse.htm

( © Photo SIP )