Déi drëtt Kraaft

De Fraktiounssekretär Frank Engel iwwert den Ausgang vun de Geméngewalen – Lëtzebuerger Land vum 14.Oktober 2005
Die dritte Kraft

Die Gemeindewahlen haben bestätigt, was die Parlaments- und Europawahlen vor fast anderthalb Jahren bereits durchscheinen ließen: die luxemburgische Parteienlandschaft verändert sich, und zwar tief greifend. Das ADR verschwindet mehr und mehr in der Bedeutungslosigkeit – und es bleibt hochgradig fraglich, ob die Partei sich wirkungsvoll wird umtaufen, inhaltlich umbauen und personell erneuern können. Die extreme Linke hat nach ihrem Parlamentsmandat am Sonntag auch noch die Beteiligung am Escher Schöffenrat verloren: es gibt sie nicht mehr, das Land braucht sie auch nicht mehr. Vor allem aber sind die Grünen dabei, die DP als dritte politische Kraft in Luxemburg abzulösen. Ein Phänomen, das die Politik nachhaltig verändern wird.

Die DP hat bei den Gemeindewahlen weiter verloren. Ihr Verlust wichtiger Bürgermeisterposten wurde vom Verlust wichtiger eigener Mehrheiten und Schöffenratsbeteiligungen begleitet: von Differdingen, Bartringen und der Stadt Luxemburg abgesehen, funktioniert das kommunale Luxemburg nach dem 9. Oktober 2005 auf weiten Strecken ohne DP-Beteiligung an den lokalen Exekutiven. Mit Ausnahme der Hochburg ihres Parteipräsidenten hat die DP nirgendwo signifikanten Zuwachs zu verzeichnen – das Gegenteil ist der Fall.

Die Grünen hingegen bauen ihre gestalterische Rolle aus. Grüne Bürgermeister werden zukünftig resolut in der Mehrzahl aufgeführt; grüne Schöffenratsbeteiligungen verteilen sich quer durch das Land. Die Tatsache, dass der Stellvertreter des Bürgermeisters der Stadt Luxemburg wohl ein Grüner sein wird, ist der wohl markanteste Durchbruch grüner Kommunalpolitik. Zwar gibt es auch für die Grünen Rückschläge, doch überwiegen bei weitem die Erfolge. Grün hält Einzug in die politische Normalität – in allen Hinsichten.

Zur politischen Normalität gehört die Angreifbarkeit. Dies wird für die Grünen eine neue Erfahrung. Bis heute wurden die Grünen von den “etablierten” Parteien weitgehend geschont. Damit wird nun Schluss sein. Die nicht endenden pro-grünen Zärtlichkeiten werden einem robusteren Umgang mit grüner Programmatik Platz machen. Mobilität, Energie, Wirtschaft und Industrie sind Themenkomplexe, zu denen die Grünen in der politischen Verantwortung ihre traditionellen Grundauffassungen nicht dauerhaft werden mit der Realität in Einklang bringen können. Die Trennung von urgrünen programmatischen Altlasten wird ihnen nicht leicht fallen – zwischen der Basis und dem grünen Establishment sind zukünftig intensive Auseinandersetzungen zu erwarten. Im Spannungsfeld von basisgrünen Überzeugungen und realpolitischen Notwendigkeiten wird mancher Gründungsgrüner sich nicht wohlfühlen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die neue Wirklichkeit grüner Machtbeteiligung auf die Befindlichkeit der Partei und ihrer Mitglieder auswirken wird.

Die Grünen sind keine Mitgliederpartei. Viele ihrer Militanten von 2005 sind die gleichen, die 1983 im Atomstreit die LSAP verlassen haben, um die Grüne Alternative Partei zu gründen. Seitdem sind 22 Jahre vergangen, während denen keine ausreichende personelle Verbreiterung der Partei stattgefunden hat. Grün wählen ist chic – sich grün zu engagieren, samt Parteikarte, weit weniger. Dieses Phänomen wird die Grünen in der politischen Verantwortung plagen.

Die Grünen haben gewonnen, doch der Gewinn hat seinen Preis. Ob die basisdemokratische Partei diesen Preis zu zahlen bereit ist, wird zur Kernfrage ihrer Perspektive, mittelfristig die dritte politische Kraft Luxemburgs sein zu können.

Frank Engel