Gemeinsamer Wille zur Steigerung der Erwerbsquote

Europäisches Ratstreffen in Stockholm Am Freitag dem 23. und Samstag dem 24. März fand in Stockholm das Frühjahrstreffen der Europäischen Staats- und Regierungschefs statt. Der Europäische Rat untersuchte die bisher erzielten Fortschritte bezüglich des vor einem Jahr beschlossenen strategischen Ziels, die EU innerhalb dieses Jahrzehnts zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen.

Die Europäischen Staats- und Regierungschefs stellten an Positivem fest, dass sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Europäischen Union in den letzten Jahren erheblich verbessert hat: Das Wirtschaftswachstum betrug im Jahr 2000 etwa 3,5%. Es entstanden 2,5 Millionen neue Arbeitsplätze, die zu zwei Drittel von Frauen besetzt wurden. Mit 8,1% ist die Arbeitslosenquote im europäischen Durchschnitt auf dem niedrigsten Stand seit 1991 (in Luxemburg beträgt die Arbeitslosenquote 2,8%). Weitere Wachstums- und Beschäftigungsmöglichkeiten zeichnen sich mit der bevorstehenden Erweiterung nach Ost- und Mitteleuropa ab.

Demografische Herausforderung

Der Europäische Rat befasste sich des Weiteren mit der demografischen Herausforderung, die eine europäische Bevölkerung darstellt, in der der Anteil der erwerbsfähigen Personen zurückgehen wird.

In diesem Zusammenhang einigte sich der Europäische Rat darauf die Erwerbsquote in der Europäischen Union bis 2005 auf 67% zu steigern. Das Fernziel bleibt eine Erwerbsquote, die 2010 70% betragen soll (die augenblickliche Erwerbsquote beträgt 63%). Der Anteil der älteren Männer und Frauen (zwischen 55 und 64 Jahren) im Arbeitsprozess soll bis 2010 von 38% auf 50% angehoben werden (zurzeit 38%). Premierminister Jean-Claude Juncker wies darauf hin, dass dies für Luxemburg eine Verdopplung bedeute.

Die Steigerung der europaweiten Erwerbsquote ist umso notwendiger als der zunehmende Anteil der älteren Menschen in der europäischen Gesellschaft “die Sozialschutzsysteme, insbesondere die Rentensysteme und Systeme für Gesundheitsvorsorge und Altenpflege” erheblich belasten wird.

Bei der Liberalisierung der Energie- und Postmärkte wurde auf dem Gipfel in Göteborg auf die Festlegung eines konkreten Zeitplans verzichtet. Gegen die rasche Liberalisierung der entsprechenden Märkte hat sich vor allem Frankreich ausgesprochen.

Hinsichtlich der globalen Klimaschutzpolitik äusserten sich die Staats- und Regierungschefs besorgt darüber, dass die Ziele des Kyoto-Protokolls in Frage gestellt würden. Damit ist indirekt die neue US-Regierung visiert, die kürzlich darauf verzichtete, zur Reduzierung des Kohlendioxidausstosses, den Kraftwerken verstärkte Umweltstandards vorzuschreiben.

Erörterung der Lage auf dem Balkan

Der Besuch des mazedonischen Präsidenten Boris Trajovski war Anlass, von den gegnerischen Parteien in Mazedonien Mässigung zu verlangen. Die Regierung Mazedoniens wurde aufgefordert, die Eskalation der militärischen Aktivitäten zu verhindern und einen stärkeren Minderheitenschutz zu gewährleisten. Gleichzeitig wiesen die Europäischen Staats- und Regierungschefs in ihrer Schlusserklärung darauf hin, dass die albanischen Extremisten in Mazedonien “das Ziel einer Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung, die sie zu vertreten vorgeben,” gefährden. Von den politischen Führern der albanischen Minderheit wurde gefordert, dass sie sich weiterhin “für Gewaltverzicht und Dialog” einsetzen.

Mit Wladimir Putin, dem russischen Regierungschef, vereinbarten die europäischen Staats- und Regierungschefs, dass die Europäische Union die Modernisierung der russischen Wirtschaft weiterhin unterstützen wird. Kredite der, in Luxemburg angesiedelten, Europäischen Investitionsbank sollen für Umweltprojekte verwendet werden.

Pressestimmen zum EU-Gipfel in Stockholm

Am Vorabend des Gipfels in Stockholm führte der Europakorrespondent des Luxemburger Worts, Gerd Werle, mit Jean-Claude Juncker ein Interview. In diesem Gespräch äusserte sich der luxemburgische Premierminister hinsichtlich der Liberalisierung der Märkte für Gas, Strom, Post und Bahn, wo Luxemburg die Haltung von Frankreich unterstützt: “Wir gehören nicht zu den Bremsern, sondern zu den verantwortlich Handelnden, weil Marktöffnung, Deregulierung, Liberalisierung, Privatisierung jenseits der Schlagworte auch auf seine Beschäftigungswirkung untersucht werden muss. Hinzu kommt, dass man beispielsweise im Bereich der Post den sogenannten Universaldienst nicht aus den Augen verlieren darf. Ich bin nicht dagegen, dass postalische Leistungen für den Verbraucher billiger werden, hätte aber gerne, dass alle Verbraucher in gleichem Masse davon profitieren. (…) Es tut der europäischen Wettbewerbsfähigkeit gut, wenn die wirtschaftlich Handelnden sich in einem wettbewerbsfähigeren Rahmen bewegen können als bisher. Es tut der europäischen Politik insgesamt aber nicht gut, wenn der Eindruck entsteht Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung würden am Bürger vorbeigehen.”

Über das, auf europäischer Ebene, betont anvisierte Ziel, mehr Menschen im erwerbsfähigen Alter, in den Arbeitsprozess zu integrieren, äusserte sich der luxemburgische Premier im gleichen Gespräch wie folgt: “Das Thema Beschäftigungsanteil ist ein wichtiges Thema und wurde auch anlässlich des europäischen Beschäftigungsgipfels im November 1997 in Luxemburg thematisiert. (…) Die schwedische Präsidentschaft schlägt vor, dass innerhalb des Lissabonner Rahmens jetzt Zwischenziele für Beschäftigungsquoten festgelegt werden. Wir sehen das ähnlich, weil wir auch in Luxemburg – und das hat die BIT-Studie gezeigt – das dringende Bedürfnis haben, unsere nationale Beschäftigungsquote nach oben gehen zu lassen.

Kritisiert wurde im Leitartikel des Luxemburger Worts vom 26. März die in Stockholm getätigte Aussage Wladimir Putins, dass die Situation in Mazedonien an die Lage in Tschetschenien 1996 erinnere. “Zumindest in seiner Pressekonferenz konnte es sich der frühere KGB-Chef jedoch nicht verkneifen, das gewaltsame Vorgehen der russischen Truppen in Tschetschenien für das Agieren gegen die albanischen Terroristen in Mazedonien zu empfehlen. Eine bodenlose Unverschämtheit, wenn man an die Zehntausende von zivilen Opfern in den beiden Tschetschenien-Feldzügen denkt.”

Weitere Informationen im Internet über das Gipfeltreffen, den Europäischen Rat und die schwedische Ratspräsidentschaft: u.a. unter ue.eu.int (Internetseiten des Europäischen Rates) sowie unter www.eu2001.se (Internetseiten der schwedischen Ratspräsidentschaft).