Chancengleichheit nicht nur fordern, sondern fördern

Frauenpolitik soll integrierter Bestandteil aller Politikbereiche werden, so die CSF-Vizepräsidentin Sylvie Andrich-Duval in der Rubrik zu Gast im “Lëtzebuerger Land“. Frauenpolitisch aktiv zu sein, bedeutet gemeinsam mit den Männern die Gleichberechtigung voranzubringen. Die Politik und die Gesellschaft müssen die Voraussetzungen dafür schaffen. Mit der Schaffung des Frauenministeriums und durch die parlamentarischen Orientierungsdebatten über frauenpolitische Themen sind in den vergangenen Jahren in Luxemburg interessante Ansatzpunkte gelegt worden. Die Arbeiten und Initiativen in den konsultativen kommunalen Kommissionen für Chancengerechtigkeit sind diesbezüglich mehr als ergänzend.

Bewusstseinsbildung und Aufklärung bleiben nach wie vor eine wichtige und notwendige Aufgabe. Auch Informationen über bestehenden gesetzliche Situationen müssen als eine Priorität betrachtet werden.

Vor dem Gesetz sind Frauen und Männer gleichgestellt. In der alltäglichen Wirklichkeit jedoch sind noch viele Vorurteile abzubauen. Noch immer gibt es Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen, manche sehr offen, viele davon versteckt, oder gar unbewusst. Chancengleichheit oder Gleichbehandlung dürfen nicht nur auf dem Papier stehen. Nur neue Wege, neue Initiativen und neue Maßnahmen werden die Frauenpolitik voranbringen. Gleichberechtigung besteht! In der Theorie ja, in der Praxis aber fehlt sie noch!

Die CSV hat in den vergangenen Jahren der Frauenpolitik eine neue Orientierung gegeben. Besonders hervorzuheben ist hier die Schaffung des Frauenministeriums und die Initiativen der Regierung zur allgemeinen Frauenförderung, so unter anderem im Bereich Bildung und Erziehung, im politischen und öffentlichen Leben, auf wirtschaftlicher und sozialer Ebene sowie betreffend den Berufszugang, die Beförderung im Beruf, die Berufsberatung, die berufliche Aus- und Weiterbildung sowie den Zugang zu selbständigen Berufen.

Im Interesse der Frauen ist demnach bereits vieles erreicht worden. Das Mauerblümchendasein hat jedenfalls unter dem Impuls von Frauenministerin Marie-Josée Jacobs ein Ende gefunden.

Dennoch müssen weitere Schritte folgen um echte Chancengleichheit zu schaffen und abzusichern. Eine ausgewogene Beteiligung und Mitbestimmung von Frauen und Männern an Entscheidungsprozessen, besonders in der Politik, sind wichtige Schlüsselfaktoren im Zusammenhang mit der Vorgabe zur Gleichbehandlung.

Nachholbedarf besteht ohne Zweifel in einigen Bereichen; so auch in der Sozialpolitik. Die Splittingfrage ist hier das beste Beispiel. Alle sind sich einig, doch das schon lange anstehende Problem des Rentensplittings wurde noch immer nicht gelöst. Wieso ist es so schwierig derart zu handeln, dass in Zukunft jedem der Partner die Hälfte der während des Zusammenlebens erarbeiteten Pensionsrechte zusteht? Als weiteren notwendigen Schritt wird es hier notwendig sein abzuklären, wie die Einführung einer eigenständigen sozialen Sicherheit möglich gemacht werden kann. Sie müssen als Impuls für mehr Selbständigkeit und Verantwortung stehen!

Aus einigen Kreisen wird die Formulierung einer frauenpolitischen Agenda mit drei wesentlichen Hauptpunkten angeregt: mehr wirtschaftliche und soziale Unabhängigkeit, kleinere Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen sowie Verhinderung von Armut. Um dies zu erreichen, sind nicht nur neue Gesetze und Regulierungen notwendig. Besonders hilfreich wird ein neues Bewusstsein sein.

Diese wenigen Beispiele unterstreichen, dass es nicht ausreicht das Prinzip der Gleichheit und Gleichbehandlung in Reden aufzugreifen oder in Absichtserklärungen und Wahlprogramme aufzunehmen. Nur die politische Umsetzung garantiert echte Gleichberechtigung, baut Diskriminierungen ab und schafft die Voraussetzungen, dass Frauenpolitik integrierter Bestandteil aller Politikbereiche wird. Frauenpolitik ist beileibe kein Nischenprogramm, sondern kann nur dann zum Ziel führen, wenn sie Querschnittspolitik ist.

Nicht Gleichheit sondern Gleichwertigkeit zwischen Mann und Frau, lautet das Ziel. Der Unterschied und die Unterscheidbarkeit sind wichtig. In einer Demokratie und offenen Gesellschaft gilt es die Unterschiede anzuerkennen, mit dem Recht auf Anderssein. Und dieser Unterschied muss in vielen Lebens- und Arbeitswelten endlich Anerkennung finden. Chancengleichheit eben nicht nur fordern, sondern tatsächlich fördern.

Beitrag von Sylvie Andrich-Duval Im “Lëtzebuerger Land” vom 24. November 2001